Wer sieht es heute dem Sontraer Stadtteil Berneburg an,
dass es seinen Namen von einer stolzen Ritterburg hat?
Sie stand auf dem Felsenhügel, an den sich das Dörf-
chen so lieblich anschmiegt. Im hessisch - thüring-
ischen Erbfolgekrieg, im Jahre 1385,
wurde die Burg zerstört, und zwar so
gründlich, dass keine Ruine mehr Zeuge
der einstigen Geschichte ist. Über die
Berneburg herrschte die Äbtissin des Cyriakusstifts
in Eschwege bis zur Reformation. Hier besaß sie ihre
Lehnsgüter, und die Herren von Berneburg waren ihre
adligen Vasallen. Wenn man bedenkt, dass Sophie, die
1038 verstorbene Schwester Kaiser Ottos, die Stifterin
der Cyriakusabtei war, und alte Urkunden
Berneburg schon 1271 als Pfarreisitz
nennen, kann man die geschichtliche
Bedeutung des Ortes ermessen, die heute nur
wenigen noch bekannt ist. Die alte Kirche, die einst ebenfalls befestigt droben auf dem Felsenberg stand, der heute noch der Kirchberg heißt, ist 1636 im Dreißigjährigen Krieg ein Opfer der Flammen geworden.
Kaiserliche Soldaten zündeten sie an. Nur ein Denkmal aus alter Zeit ist Berneburg verblieben in einem behäbigen, massiven Turm am südlichen Dorfrand, den die Bewohner die "Kemenate" nennen. Vielfach begegnet man der Meinung, dass der zwölf Meter hohe Turm als Zehntscheuer für das Eschweger Cyriakuskloster gedient habe. Das mag zutreffen für die Zeit, in der kein Ritter von Berneburg in dem Turm seine Wohnung hatte. Mit Wigand von Berneburg erlosch nämlich 1469 das ritterliche Geschlecht. Es liegt die Annahme nahe, dass die Herren von Berneburg die Erbauer dieser Talburg waren, nachdem ihre Hochburg auf dem Felsenhügel zerstört war. Der Beschauer des Gebäudes muss sich das 1656 erbaute Wohnhaus und die Scheune wegdenken, um sich die Wasserburg vorzustellen. Die Wassergräben wurden erst vor wenigen Jahrzehnten zugeschüttet. Noch in 34 Orten des Hessenlandes finden wir solche Wasserburgen, die mit der Gotik nach Deutschland gekommen sind. An der Berneburger Wasserburg ist die quadratische Form des Wohnturmes bemerkenswert, da die Rundform die eigentliche Grundform derartiger Burgen war.
Nur vom zweiten Stock aus konnte mit einer Stiege, die bei Gefahr eingezogen wurde, die Burg betreten werden. Das Untergeschoss diente als Keller und Vorratsraum. Ein heute noch vorhandener Spitzbogen zeigt an der Nordostseite den Eingang zum zweiten Geschoss, von dem man auf einer Steintreppe in die höher gelegenen Stockwerke gelangte. Von dieser Steintreppe sind nur noch kümmerliche Reste vorhanden, und die Geschosse sind an den Mauerwerken und Fensternischen erkennbar. Im Eingangsgeschoss sieht man noch den Kamin, der mit dem schrägen Anlauf des Schornsteins und Rauchmantels noch gut erhalten ist.
Man fragt sich mit Recht, ob ein solcher Wohnturm wirklich wohnlich war. Das Eingangsgeschoss, das nur durch Schießscharten Licht erhielt, war jedenfalls recht dunkel. Abgesehen von dem obersten Stockwerk, das durch große rechteckige Fenster einen guten Lichteinfall hatte, lagen auch die übrigen Gelasse im Halbdunkel. Fast zwei Meter waren die Wände dick und die Räume nur zweieinhalb Meter hoch. Zu bedenken ist allerdings, dass damals nicht dieselben Ansprüche an die Wohnkultur gestellt wurden wie heute, und dass ein solcher Wohnturm auch weniger der Bequemlichkeit diente als der Sicherheit.